DEUTSCHE HEIMAT

Johannes Kühl  „Elblandschaft“  Fähre Johannstadt  – Ausschnitt, 1943  Öl auf Leinwand

FÜNF JAHRE GALERIE HOLGER JOHN

DEUTSCHE HEIMAT

Gemälde | Zeichnung | Plastik | Erinnerung

AUSSTELLUNG  verlängert bis 7. April 2019

Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag  14 – 19 Uhr

und nach Absprache.

In Kooperation mit
Kulturhauptstadtbüro Dresden 2025
Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Oskar Seyffert, Richard Müller, Johannes Kühl, Jacques Mattias Schenker, Curt Querner, Alfons Prutscher, Beate Bilkenroth, Richard Naumann-Coschütz, Carl Spitzweg, Eric Keller,
August Hofer, Otto Schubert, Leano Modo, Alexander Gerbig, Franziska Klotz, Micha Wutz, Edmund Körner, Lutz Heyder, Willy Schmatze, Herrmann Schmidt, Eva Schwager, Peter Zimolong,
Georg Egmont Oehme, Erhard Hippold, Christian Manss,
Adolf Achleitner, Hans Hartig, Siegfried Klotz, Andreas Bräunsdorf, Max Pietschmann, Wolfgang Pfeifer, Karl Heidelbach, Wolfram Neumann, Fritz Beckert, Leonhard Sandrock, Karl Eulenstein, Stephan Ruderisch, Willi Mair, Hans Ohme, Walter Hahn, Titus Schade, Horst Janssen, Erich Lindenau, Markus Retzlaff, Barbara Bessen-Möckel,
Walter Womacka, Manaf Halbouni …

VERNISSAGE am Mittwoch 13. Februar 2019 ab 18 Uhr

GRUSSWORT
Annekatrin Klepsch – Bürgermeisterin für Kultur und Tourismus der Landeshauptstadt Dresden
Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden

HEIMAT – DIE GESCHICHTE EINES WORTES
Dr. Igor Jenzen – Direktor Museum für Sächsische Volkskunst mit Puppentheatersammlung

MUSIK
Kaiserquartett Striesen
Heiner Stephani & Hauskapelle Olbernhau

Beate Bilkenroth „Reicker Strasse 2“  Öl auf Leinwand

Ausgerechnet am 13. Februar hatte Holger John seine Ausstellung „Deutsche Heimat“ eröffnet. Ein Provokateur, sagen die einen, die nur das Ziel sehen. Ein Genie, sagen die anderen, die nur den Streich wahrnehmen. Doch wer ist er eigentlich, dieser Holger John, der stets verschmitzt Lächelnde? Was will dieser selbsternannte Impresario, der Galerist mit Hut und Intendant seines kleinen Dresdner Welttheaters? Befragt man ihn, kann man nie sicher sein, an welcher Stelle John flunkert. Dass er es tut, dessen sollte man sich gewiss sein.

„Ich bin ein Ostersonntagskind“. Sonntag stimmt. 1960 erfolgte die Auferstehung Johns bereits zwei Wochen vor Ostern. Für John gerade noch ausreichend Zeit, ein gesamtdeutsches Gemüt zu entfalten – ein ganzes Jahr vor dem Mauerbau. Als gebürtiger Havelländer bereiste John vor seinem Dresdner Studium die ganze erreichbare Welt. Der kleine John wurde durch den großen John mit den ganz Großen auf der Insel Usedom groß. Sein Vater, der Grafiker Joachim John, vermittelte dem Lütten Zeichenunterricht bei Otto Niemeyer-Holstein und eine Töpferlehre bei Hedwig Bollhagen. Später versuchte sich Holger John in Berlin an Gebrauchsgrafik. Ab 1988 studierte er bei Gerhard Kettner an der HfBK Dresden. Der Meistermacher Ralf Kerbach schlug John 1993 zum Maler. Tipps, K (n)iffe und Wirksameres holte sich der Zögling additiv 1995 bis 2002 als Assistent von Jörg Immendorf.

Eigentlich wollte Holger John Bühnenbildner werden. Er begreift die Welt als Bühne, inszeniert Räume, in denen der Besucher (meist ohne es selbst zu merken) als Schauspieler/Akteur fungiert. 1998 hob John mit dem „Titanic-Filmball“ das Heizkraftwerk Mitte aus den Tiefen des städtischen Sumpfes zurück ins öffentliche Mehrklassen-Bewusstsein, 2005 tanzte er als Zeremonienmeister mit Gerhard Richter zur Wiedereröffnung im Albertinum und errichtete 2011 mit „Rammstein“ deren Mausoleum vor der O2-Arena in Berlin.

Nun feiert er „Fünf Jahre Galerie Holger John“. Doch eigentlich steht Holger John im sechsten Jahr. Bereits im Oktober 2013 organisierte er in dem ehemaligen Bayrischen Volkstrachtenladen, der geschlossenen Galerie Brigitte Utz, dem früheren Loft – vor dem temporär Superman mit ziemlichem Pop-Karacho in den Boden gerammt ist – seine erste Ausstellung und zeigte eigene Zeichnungen. Lediglich eine Nacht für das Alter Ego geplant, hat John die damalige „Lange Nacht der Galerien“ an dieser Adresse für sich, eine breite, oft spektakuläre Künstlerschaft und das Publikum verlängert.

Jetzt feiert er mit uns fünf Jahre, sich und die „Deutsche Heimat“. Holger John ist ein Heimat-Hirsch. Mehr als einmal bewies er professionell, dass er zum Thema Heimat eine eigene Meinung hat. 2008 wirkte er an der Ausstellung „Baustelle Heimat“ im Museum für Sächsische Volkskunst kreativ mit. Logische Konsequenz, dass zu Johns Eröffnung am 13. Februar der Direktor des Volkskunstmuseums die Einführungsrede hielt. Nach einem deutlichen Grußwort von Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch, die betonte, dass Dresden sich mit dem Slogan „Neue Heimat – Dresden 2025“ als Kulturhauptstadt bewirbt und mit Worten der Schriftstellerin Thea Dorn warnte, dass „Neue Heimat“ zu einem Lieblingsbegriff der politisch Rechten würde, umriss Igor Jenzen die Entwicklung des Heimatbegriffes. „Heimat ist ein Argument. Kein Refugium oder Besitz.“ Jenzen skizzierte die Veränderung des Heimatbegriffes ausgehend vom Römischen Reich mit seinen 350 Territorien.

Damals war es wichtig festzustellen, wo jemand hingehöre, später, wo jemand herkomme. Im boomenden Erzgebirge waren die schürfenden reichen Leute stolz auf die Region, der sie entstammten, Verleger und Handlungsreisende, welche die Produkte auf fremden Märkten feilboten, waren von „Nostalgie“ und „Heimweh“ beseelt.

Mit den Befreiungskriegen gegen Napoleon erfuhr der Heimatbegriff mit dem Heimatgefühl eine Emotionalisierung und in der Romantik schaute man auf die inneren und wahren Werte der Kindheit zurück. Der Besorgnis vor dem Verlust von Heimat in Zeiten der Industrialisierung wirkte um 1900 die Heimatbewegung mit ihrem Blick auf Harmonie entgegen: Mensch, Natur und Kultur im Einklang. 1908 wurde der Deutsche Heimatschutz gegründet. Wenige Jahrzehnte später wurde der Heimatbegriff politisch instrumentalisiert, „wir sind so, die anderen anders – das wollen wir aber nicht“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aufgrund der großen Flüchtlingswelle im Osten wie im Westen der Heimatbegriff diskreditiert und führte in den 50er Jahren hüben wie drüben zu einer neuen Besinnung auf Heimat, vor allem über die neuen Heimatfilme kommuniziert. Die DDR forcierte eine politische Heimat – „Und wir lieben die Heimat, die schöne, und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört …“. Und heute haben wir eigentlich keine Probleme, deshalb machen wir uns welche.

John wäre nicht John, wäre nicht schon die Eröffnung zu einem riesigen Volksfest mutiert. Das Kaiserquartett Striesen huldigte dem Brunnen vor dem Tore und dem Ännchen von Tharau. Heiner Stephani und die Hauskapelle Olbernhau brachten hausgemachte erzgebirgische Folksmusik unters Volk. Verstanden hat sie niemand, lustig und beschwingt war die Mundart allemal. Bier floss gezapft in Elbströmen, fußmüde Wegesleut konnten sich an Biertischgarnituren ausruhen. Selbstverständlich hing an der Wand das Hirschgeweih – aus Plüsch, ein China-Import. Der Impresario trug eine mit deutschen Doggen verzierte Krawatte und auch sonst scheute er in der Ausstellung keine Klischees. Man findet den deutschen Wald, das deutsche Mädel, den deutschen Berg, das Alpenglühn und die Kuckucksuhr, Sonntagsidylle, Häuslebau und Kacheln. Wer sich keinen Canalettoblick leisten kann, bekommt diesen als Diashow serviert.

Doch war es das? Typisch John? Ein Event? Nein, sondern typisch John! Wer Muse mitbringt, erkennt hinter all der lauten Fassade geballte Reflexion. Die „Alte Heimat“ im Untergeschoss mit Carl Spitzwegs „Gemütlicher Wache“ (um 1855), Oskar Seyfferts „Im kummet Lampenschein“ (1906), Johannes Kühls „Elblandschaft“ (1943). Die „Neue Heimat“ eine Etage darüber mit dem „Altmarkt“ (2003) von Siegfried Klotz, Peter Zimolongs „kontroVERSE I“ (2015) und Walter Womackas „Paar am Strand III“ (ohne Jahresangabe). Der Erinnerung ist mit der Präsentation des Dekorationsmalers Willy Max Schmatze ein eigenes Abteil gewidmet. Eric Keller hängt mit seinem Bild „Kulturhaus I“ (2018) als verbindendes Moment dazwischen.

Das Wirtshaus mit einem Festsaal, in dem jahrzehntelang gefeiert wurde. Erst gab es Schwof für alle, dann wurde in der DDR mittels politischer Strukturen selektiert. In der Wendezeit wurden Kulturhäuser zum Schicksal unerfahrener Unternehmer. Jetzt schafft es niemand mehr, den Staub der Geschichte zu beseitigen. Der Künstler erzählt von Schwermut und Erinnerung. Eine herabhängende Girlande kündet noch von fröhlichen Tagen. Ansonsten ist der Saal weitestgehend geräumt.

Holger John ist meistens vor Ort und wird keine Gelegenheit auslassen, seine Anekdoten zum Besten zu geben und andere zu erfragen. Vor allem vor einer Schwarz-Weiß-Fotografie unbekannter Herkunft – Zeitzeugnis exzessiven Feierns in den privaten Partykellern in der DDR mit viel Bier, schlechter Musik und enthemmter Entkleidung. Dies ist keine Drohung, sondern verspricht unterhaltsam zu werden.

bis 7. April, Rähnitzgasse 17, geöffnet täglich 14 bis 19 Uhr www.galerie-holgerjohn.com

Autor: Patrick-Daniel Baer

___________________________________________________________________________